Thema des Tages: Numerische Wettervorhersage - Billionen an Rechnungen für eine Deutschlandwettervorhersage


Datum 10.05.2018



Die Wetterprognose basiert heutzutage auf komplexen Vorhersagemodellen. Trotz stetiger Weiterentwicklungen wird auch in Zukunft das Wetter nie exakt vorhergesagt werden können. Um dies etwas besser zu verstehen, wird heute erläutert, wie aufwändig bereits eine Vorhersage des Wetters für die kommenden ein bis zwei Tage in Deutschland ist.

Die Atmosphäre ist ein hochgradig kompliziertes System. Um die physikalischen Abläufe, die für das Wetter verantwortlich sind, beschreiben und vorhersagen zu können, verwendet man sogenannte numerische Wettervorhersagemodelle (NWV-Modelle). Dabei handelt es sich um komplexe Computerprogramme, die die Prozesse, die in der Atmosphäre stattfinden, vereinfacht beschreiben und mathematisch berechnen.

Das vom Deutschen Wetterdienst entwickelte Modell COSMO-D2 ist ein solches NWV-Modell. Es ersetzt ab kommenden Dienstag das Vorgängermodell COSMO-DE und wird präzise Wetterprognosen für die kommenden ein bis maximal zwei Tage in Deutschland erstellen. Da man den Zustand der Atmosphäre nicht an unendlich vielen Punkten im Raum berechnen kann, verwendet man ein dreidimensionales Gitternetz, auf dem die atmosphärischen Größen berechnet werden. Die Grundlage bildet dabei der Satz von acht prognostischen Grundgleichungen, und zwar für den Wind in alle drei Raumrichtungen, der Temperatur, des Luftdrucks sowie des festen (Eis), flüssigen (Wasser) und gasförmigen (Wasserdampf) Wassergehalts. Allerdings sind diese Gleichungen so kompliziert, dass sie nur vereinfacht berechnet werden können.

Das Gitter, auf dem die (vereinfachten) Modellgleichungen gelöst werden, sollte einerseits so feinmaschig sein, um selbst lokale Wetterphänomene ausreichend gut auflösen zu können, aber gleichzeitig grob genug sein, um nicht den Rahmen an Rechen- und Datenaufwand zu sprengen. COSMO-D2 verwendet ein Gitter mit einer horizontalen Maschenweite von etwa 2,2 km. In diesem Abstand werden nun die oben genannten Vorhersagegrößen berechnet. Das ist ausreichend fein, um zum Beispiel lokale Effekte wie Berg-Talwind-Zirkulationen relativ realitätsnah darstellen zu können. Außerdem können einzelne Gewitterzellen, welche einen Durchmesser von mehreren Kilometern haben, näherungsweise simuliert werden.

Mit einem derart feinen Gitter kann man nicht die ganze Welt umspannen. Deshalb beschränkt sich COSMO-D2 auf Deutschland inklusive (Teile) der Nachbarstaaten (linke Abbildung). Dafür werden 651 Gitterpunkte in Ost-West-Richtung und 716 Gitterpunkte in Nord-Süd-Richtung benötigt. Da die Atmosphäre ein 3-dimensionales System ist, ist für die Vorhersage nicht nur der Zustand der Atmosphäre am Boden, sondern auch in der Höhe wichtig. Daher besteht das Modellgitter aus 65 Gitterflächen (rechte Abbildung), welche in Bodennähe recht eng übereinander liegen und mit der Höhe einen immer größeren Abstand voneinander haben. Daraus resultieren insgesamt 651 x 716 x 65 = 30.297.540 Gitterpunkte. Zum Beginn einer Modellsimulation wird anhand von Beobachtungen (z.B. von Wetterstationen, Radiosonden, Wettersatelliten) der aktuelle Zustand der Atmosphäre auf alle Gitterpunkte interpoliert. Anschließend wird in die Zukunft gerechnet. Dazu müssen an jedem Gitterpunkt alle 10 Sekunden die oben genannten acht Modellgleichungen berechnet werden. Das COSMO-D2 wird alle drei Stunden, also achtmal am Tag neu gestartet und erstellt jeweils eine 27-stündige Vorhersage. Dazu sind also insgesamt 9.720 (27h x 60min x 60s/10) Rechenzeitschritte nötig. Multipliziert man nun die Anzahl der Gitterpunkte mit der Anzahl der Rechenzeitschritte und der 8 atmosphärischen Zustandsvariablen, kommt man insgesamt auf 2.355.936.710.400 (ca. 2,36 Billionen) Rechnungen, die für eine einzige Vorhersage durchgeführt werden müssen. Jeden Morgen um 3 UTC (5 Uhr MESZ) wird COSMO-D2 sogar für 45 Stunden in die Zukunft gerechnet, sodass sich der Rechenaufwand auf etwa 3,93 Billionen Rechnungen erhöht.

Um diesen immensen Rechenaufwand in ausreichender Schnelligkeit leisten zu können, sind modernste Hochleistungsrechner erforderlich. Außerdem erzeugt eine solche Computervorhersage auch enorme Datenmengen. Pro Wettervorhersage mit dem COSMO-D2 entstehen etwa 50 GB an Wetterdaten, sodass sehr große Festplatten zur Datenspeicherung benötigt werden.

Doch das ist alles nur die halbe Wahrheit. Beim DWD werden noch zahlreiche weitere numerische Wettersimulationen durchgeführt. Um das COSMO-D2 überhaupt betreiben zu können, muss mit einem weiteren Modell auch das Wetter rund um den Globus berechnet werden. Außerdem versucht man, die Unsicherheit einer Vorhersage abzuschätzen, indem man zu jedem Vorhersagetermin das COSMO-D2 mehrfach leicht verändert startet. Auf diese Aspekte wird in weiteren Themen des Tages näher eingegangen.

Vielleicht können Sie sich nun vorstellen, dass trotz stetiger Fortschritte bei der Vorhersage auch in ferner Zukunft das Wetter noch für Überraschungen gut sein wird und man es nie exakt vorhersagen kann?

Dipl.-Met. Dr. Markus Übel

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 10.05.2018

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