Thema des Tages: Eine kalte Nase


Datum 16.11.2016



Der Klassiker an nass-kalten Herbsttagen: Der Hals kratzt, die Nase läuft und der Schädel brummt - Anzeichen einer Erkältung. Dafür muss doch das Wetter verantwortlich sein, oder?

In diesen Tagen ist es wieder vermehrt zu beobachten: Egal ob daheim, auf der Arbeit, in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen - zahlreiche Personen schnauben in ihr Taschentuch oder husten, bis sie kaum noch Luft zum Atmen bekommen. Häufig gewinnt man den Eindruck, je kürzer und kälter die Tage im Herbst werden, desto mehr erkälteten Menschen läuft man über den Weg. Doch ist dem wirklich so?

Nun, in der Tat sind wir statistisch gesehen im Winterhalbjahr häufiger krank als im Sommerhalbjahr. Das Infektionsrisiko steigt dabei signifikant an, sobald die Außentemperaturen dauerhaft unter die 10 Grad-Marke sinken. Im Schnitt erwischt eine Erkältung einen Erwachsenen in Deutschland dreimal im Jahr mit der größten Häufigkeit im Januar. (Ich für meinen Teil habe die Dritte kürzlich überwunden, womit der Rest des Jahres nun hoffentlich gesund verläuft. ). Bei mehr als 200 bekannten Viren, die eine Erkältung auslösen können, übernimmt ein sich langsam wieder stärkendes Immunsystem den Heilungsprozess. Anders als die Einnahme von Antibiotika beim Befall von Bakterien helfen Arzneimittel bei viralen Infekten in der Regel lediglich dabei, die Symptome zu lindern. Und damit wären wir auch schon beim "Casus Knacksus", nicht die Kälte oder Nässe verursachen die Erkältung, sondern die Viren. Also lässt sich generell gar kein Zusammenhang zum Wetter finden? Naja, ganz so einfach ist es dann leider doch nicht.

Eine kalte Umgebung, in Kombination mit unangepasster Kleidung, kühlt - angefangen bei den Extremitäten - den Körper aus. Die einsetzende Gegenwehr zum Schutz vor weiteren Wärmeverlusten führt nun zu verengten Blutgefäßen, beispielsweise auch die der Schleimhäute in der Nase. Die Folge ist eine schlechtere Durchblutung, womit das Immunsystem geschwächt wird. Wer leicht friert, empfindet Kälte zusätzlich als körperlichen Stress, wodurch die Schwächung des Immunsystems noch verstärkt wird. Haben die Viren erstmal die Oberhand gewonnen, ist es ein Leichtes für sie, sich im Körper und auch in der Umgebung auszubreiten. Beheizte, vor allem trockene und schlecht gelüftete Räume sind hier ein idealer Nährboden. Selbst gesunde Menschen haben dann dermaßen ausgetrocknete Schleimhäute, dass sie anfälliger für eine Viruserkrankung sind.

Nun wird der ein oder andere von Ihnen denken: Normalerweise müssten es Viren in kalter Umgebung doch schwerer haben, zu überleben, schließlich bevorzugen sie doch allgemein feucht-warme Bedingungen. Die für die meisten Erkältungen verantwortlichen Rhinoviren umgeben sich bei kaltem Wetter mit einem Gel, das sie vor äußeren Einflüssen schützt. Bei etwa 15 Grad beginnt dieser Überzug zu schmelzen, womit die Viren austrocknen und absterben. Daher ist im Frühjahr häufig das Ende der Grippewellen erreicht. Im menschlichen Träger (Wirt) angelangt, streift es die Schutzhülle ab und infiziert eine Zelle. Gemein, oder?

Tatsächlich kommen in den polaren Gebieten jedoch so gut wie keine Erreger vor, es sei denn, sie werden durch den Menschen "importiert". Dort fehlen einfach die Menschenansammlungen samt beheizter, schlecht gelüfteter Räumlichkeiten. Überlieferungen zufolge gab es in den 60er und 70er Jahren in Argentinien und Chile gezielte Programme, bei denen Schwangere auf die Antarktische Halbinsel transportiert wurden, um auf dem politisch neutralen Kontinent ihre Kinder zu gebären. Dadurch erhoffte man sich dort eigene Gebietsansprüche stellen zu können. Das Ergebnis war letztendlich, dass die Säuglinge nie lernten, in der keimfreien Umgebung ein intaktes Immunsystem aufzubauen und kamen dann bei ihrer Rückkehr nach Südamerika bei der ersten Infizierung mit Erregern alle ums Leben. Letztlich konnte das aber nie zweifelsfrei bewiesen werden.

Und wie schaut es mit der Nässe aus? Regendurchnässte Kleidung oder auch nasse Haare begünstigen natürlich ein zusätzliches Auskühlen des Körpers, wobei wir wieder beim Einfluss der Kälte und der dadurch bedingten Schwächung des Immunsystems sind. Die Feuchtigkeit in der Luft ist aber hilfreich, da die Erreger durch den Wasserdampf weniger gut verteilt werden können und die Schleimhäute nicht so leicht austrocknen. Insofern sind wir bei trockener Kälte sogar anfälliger für eine Erkältung als beim nass-kalten "Schmuddelwetter", vorausgesetzt unser Körper bleibt dabei auch trocken und warm.

Da passt es doch ganz gut, dass die Ausläufer des Tiefs "Laura" aktuell die restliche vorhandene Kaltluft auch aus dem Südosten Deutschlands vertreibt. Damit setzen sich am morgigen Donnerstag nahezu deutschlandweit zweistellige Tageshöchstwerte durch und auch Nachtfröste sind vorerst kein Thema mehr. Bei gleichzeitigem Feuchtigkeitsnachschub von oben sind die Bedingungen hinsichtlich eines Erkältungsrisikos gegenüber den Vortagen also deutlich gemindert.

Zum Abschluss noch eine interessante Zahl. Mit teilweise 160 km/h schießt die mit Erregern gespickte Luft bei einem kräftigen Niesen aus der Nase. Zum Vergleich: Das entspricht durchaus den Geschwindigkeiten der Spitzenböen einer veritablen Orkanlage, zum Beispiel auf dem Brocken.

Dipl.-Met. Robert Hausen

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 16.11.2016

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